#1 / Jubiläum
Die DDR zehn Jahre vor ihrem Untergang
Am 7. Oktober 1979 ahnte in der DDR wohl noch niemand, dass das Land zehn Jahre später untergehen würde. Vielmehr feierte man zwischen Rostock und Zittau ganz offiziell und mit großem Pomp das 30-jährige Bestehen des Arbeiter- und Bauernstaates. Doch der Jubel konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die DDR schon damals eine Mangelgesellschaft war. Beredtes Zeugnis davon liefert dieses ungewöhnliche Flickwerk: Ging ein Fenster kaputt, war es nicht immer sofort zu ersetzen. Doch man half sich mit kreativen Übergangslösungen und so wurde ein Plakat, mit dem man einst die DDR bejubelte zum Schutz vor Regen und Kälte umfunktioniert. Ein Dauer-Provisorium, dass sogar die DDR überlebte.

#2 / Wandschmuck
Die Geschichte eines Trabbis
Wer ist Opi? Das lässt sich leider nicht mehr klären. Fakt ist: Das Bild gehörte einem der ehemaligen Mieter am Alten Markt 1/2. Weil zuletzt vor allem Firmen in den Räumen eingemietet waren, handelte es sich bei dem auf dem Bild angesprochenen Opi wohl um einen damaligen Mitarbeiter. Die Firmen zogen irgendwann aus, das Haus stand lange leer. Zurück blieb neben allerlei Hausrat, den niemand mehr haben wollte, auch die Zeichnung an der Wand, gemalt von einem Kind, das heute vermutlich längst erwachsen ist. Nicht ganz klar ist, ob die leicht kastenartige Form des gezeichneten Autos, mit dem der Enkel seinen Opa erfreuen wollte, auf einen Trabbi schließen lässt.

#3 / Farben
Ein bunter Klecks im Einheitsgrau
Am Anfang war der Müll – Bevor es am Alten Markt im Jahr 2016 so richtig mit den Bauarbeiten losgehen konnte, mussten die Arbeiter monatelang Tonnen an Müll, Schutt und Unrat aus dem leerstehenden Gebäudekomplex räumen.
Würde man diesen Kraftakt mit einer Farbe unterlegen, so fiele die Wahl wohl auf ein einheitliches Grau, auf das man in den Räumen allerorten stieß. Eine der wenigen Ausnahmen zeigt dieses Bild. In einem Keller fanden sich diese prächtigen Farbpigmente.
Woher sie stammten und warum sie dort gelagert wurden, konnte nicht mehr geklärt werden. Aber, so schien es, für einen kurzen Moment verwöhnten sie wenigstens die Augen der Arbeiter, die bei der anstrengenden und zeitraubenden Räumungsaktion enorm gefordert waren.

#4 / Raum
Sanierung auf Sozialistisch
Von einem freistehenden Herd kann man durchaus träumen. Eine freistehende Toilette dürfte eher ungewöhnlich sein. Doch in der untergegangenen DDR war das offenbar anders. Sanierung auf Sozialistisch konnte auch so aussehen: Gerade in Altbauten waren Innentoiletten kein Standard.
Wer seine Wohnung damit aufhübschen wollte, musste kreativ sein. Dabei wurde nicht selten der Zuschnitt von Räumen mehr oder weniger professionell geändert, was dazu führte, dass am Ende – wie im vorliegenden Beispiel – eine Pi-mal-Daumen-Lösung stand, die irgendwie funktionierte, aber vermutlich weder dem damaligen und schon gar nicht dem heutigen Anspruch genügen konnte.
Sie war eher das Ergebnis aus Mangelwirtschaft, der man mit Pragmatismus zu Leibe rücken musste.

#5 / Stein
Wir sind die Roboter
Preisfrage: Was zeigt dieses Bild? Einen Roboter? Eine Pfeife? Falsch! Es ist ein Abströmrohr, das zu einem alten Kaminzug gehörte. Er war eines der wenigen noch gut erhaltenen Fundstücke, auf die man während der Bauarbeiten stieß.
Ein solches Abströmrohr aus Steingut hat man früher in den Kamin eingebaut, wenn er nicht gut gezogen hat.
Das sperrige Teil wurde sorgfältig ausgebaut und entsorgt. Jedoch nicht ohne ein bisschen Wehmut, denn die Fachleute bestätigten, dass er noch voll funktionsfähig gewesen wäre. Schade eigentlich…

#6 / Vergangenheit
Schicht für Schicht die Zeit zurückdrehen
Wer früher selbst tapezierte, der wusste: Bevor es losgehen kann, braucht es eine Abdeckung für die nackte Wand. Makulatur nannte sich das, was man als erste Schicht zwischen Steinwand und Tapete klebte. Üblicherweise wurde dafür Zeitungspapier genutzt. So auch in den Wohnungen am Alten Markt. Sie tauchten auf, als während der Räumungsarbeiten die Wände auch von allen bisherigen Schichten befreit wurden. Lage um Lage kratzen die Arbeiter von den Wänden. Tapeten, Putz, Papier.
Ganz unten dann eine kleine Sensation: Die unterste Schicht waren Zeitungen aus dem Jahr 1928.
Dabei handelt es sich unter anderem um die „Hallischen Nachrichten“ vom 27. und 28. Juli des Jahres 1928, die seinerzeit mit der Schlagzeile „Geht Stresemann nach Paris“ aufmachten.

#7 / Datum
Eine kleine Geschichtsstunde
Wie kam die Inschrift ans Fenster? Diese Frage muss gestellt werden, denn es handelt sich hier um ein schwer zugängliches Dachfenster. Die Abkürzung „PGH“ stand in der DDR für „Produktionsgenossenschaft des Handwerks“ und lässt auf die Anwesenheit von im Arbeiter- und Bauernstaat heiß begehrten Handwerkern schließen.
Das ebenfalls aufgeführte Datum, der 8. Mai, kannte in der DDR jedes Kind: Es war der Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Und man kann hier nur mutmaßen, ob im Jahr 1988 wohl eine lang ersehnte Handwerkerleistung just an diesem Tag erledigt wurde. Und so diese Arbeit ebenfalls zu einem Tag der Befreiung für die Mieter dieser Wohnung wurde.
Schließlich musste man in der DDR lange auf einen Handwerker warten. Ein Grund mehr, das Datum dieser Heldentat irgendwo schriftlich zu fixieren.

#8 / Der Mensch und die Natur
Eine Symbiose?
Dies ist die Geschichte von der Mauer und dem Baum.
Beide hatten viele Jahrzehnte in friedlicher Koexistenz im Hinterhof des Alten Markts existiert. Der Baum spendete Schatten, die Mauer gab Halt. Eine perfekte Symbiose.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Baum immer mehr Raum forderte. Er drückte sich gegen die Mauer, die Mauer hielt Stand, bekam aber immer mehr Risse. Bei Sanierungsbeginn musste sie endgültig weichen. Doch zuvor hatte sie dem Baum noch ihren ganz persönlichen Stempel aufgedrückt.
